Verkehrsplanung für den Radverkehr
Zunehmende Nutzung, Geschwindigkeiten und Distanzen erhöhen die Anforderungen an das Radverkehrsnetz. Unterschiedliche Zusammensetzung des Radverkehrs (Kinder, Senioren, schneller Alltagsradverkehr, Freizeitradverkehr / Radtourismus) stellen dabei sehr unterschiedliche Ansprüche an Verkehrssicherheit und Verkehrsablauf. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung und unter Einbezug der Unfallauswertung und Unfallforschung wurden in den letzten Jahren zahlreiche Regelwerke neu aufgestellt bzw. überarbeitet, um dem gesteigerten Bedürfnis nach Sicherheit und Fahrkomfort zu entsprechen.
Wesentliche Grundlagen sind:
Rechtsgrundlagen
- Straßenverkehrsordnung (StVO, Stand 01.04.2013), § 2 Straßenbenutzung durch Fahrzeuge.
- Verwaltungsvorschriften zur StVO (VwV-StVO) - wesentliche Grundlage für die Umsetzung der Straßenverkehrsordnung durch Planer und Verwaltungen.
Planungs-Regelwerke
- Z.B. Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) und viele andere (siehe unten)
ergänzt durch Rechtssprechung
Aktuelle Gerichtsurteile, z.B.
- Eine Radwegebenutzungspflicht darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutsbeeinträchtigung erheblich übersteigt. (BVerwG 3 C 42.09)
- Ein im öffentlichen Verkehrsbereich liegender Gully muss so gestaltet sein, dass er in Bezug auf Rillenrichtung und -abstand keine Gefährdung für Radfahrer darstellt. (OLG Hamm, Az. 6 U 240/89)
Richtlinen und Empfehlungen
Die für die Radverkehrsplanung wesentlichen Richtlinien und Empfehlungen sind weiter unten aufgeführt. Diese technischen Regelwerke haben nicht den Status einer Rechtsnorm, sondern sind eher als Planungshilfe zu verstehen, um die Verkehrsanlagen entspr. dem Stand der Technik zu planen und anzulegen. Hinsichtlich der Gestaltung von Radverkehrsanlagen wird in der VwV-StvO jedoch ausdrücklich auf die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) hingewiesen.
Unter anderem werden Empfehlungen für
die Radverkehrsführungs-Form an Straßen, in Abhängigkeit den Entscheidungsrelevanten Abwägungskriterien wie
- Kraftfahrzeuggeschwindigkeit
- Kraftfahrzeugverkehrsstärke
(je höher und schneller, desto eher Seitenraumführung) - Schwerverkehrsstärke
(je höher, desto eher Seitenraumführung) - Flächenverfügbarkeit
- Parken
(je höher die Parknachfrage und je häufiger die Parkwechselvorgänge,
desto eher Seitenraumführung) - Knotenpunkte
- Grundstückszufahrten
(je mehr Einmündungen und Zufahrten und je höher die Belastung,
desto eher Fahrbahnführung) - Längsneigung
(Steigung eher Seitenraum, Gefälle eher Fahrbahnführung) - Radverkehrsstärke
- Fußgängerverkehrsstärke
(Es müssen ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen) - Bekannte Unfallschwerpunkte
gemacht, erforderliche Entwurfsparameter wie Radwegbreiten, Kurvenradien, Steigungen, Aufstellbereiche u.v.m. definiert.
ERA - Empfehlungen für Radverkehrs-Anlagen
Die Gliederung der ERA umfasst u.a. folgende Punkte:
0 Geltungsbereich
1 Radverkehrskonzept
2 Entwurfsgrundlagen
2.1 Entwurfsziele
2.2 Entwurfsparameter
2.3 Wahl der Radverkehrsführung an Straße
3 Radverkehrsführung an innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen
3.1 Radfahren auf der Fahrbahn
3.2 Schutzstreifen
3.3 Radfahrstreifen
3.4 Baulich angelegte Radwege
3.5 Zweirichtungsradwege
3.6 Gemeinsame Führung mit dem Fußgängerverkehr
3.7 Radverkehr an Engstellen
3.8 Führung bei Steigung und Gefälle
3.9 Freigabe von Bussonderfahrstreifen für Radverkehr
3.10 Radverkehr auf Fahrbahnen mit Straßenbahn
3.11 Bushaltestellen
3.12 Straßenbahnhaltestellen
3.13 Überquerung besonderer Bahnkörper
4 Radverkehrsführung an Knotenpunkten
5 Überquerungsanlagen
6 Radverkehr in Erschließungsstraßen
7 Einbahnstraßen mit Radverkehr in Gegenrichtung
8 Radverkehr in Bereichen des Fußgängerverkehrs
9 Radverkehr an Landstraßen
10 Selbständig geführte Radwege
11 Bau und Betrieb von Radverkehrsanlagen
12 Wirkungskontrolle und Qualitätssicherung
Die Möglichkeiten zur Radverkehrsführung sind recht vielfältig. In Abhängigkeit von Bedarf, Flächenverfügbarkeit und den weiteren o.g. entscheidungsrelevanten Abwägungskriterien können dies sein:
- Fahrbahn
- Fahrradstraße (Sonderform)
- Schutzstreifen
- Radfahrstreifen
- Rechte Seitenstreifen
- Bussonderstreifen
- Baulich angelegter Radweg
- getrennter Geh/Radweg
- Gemeinsamer Geh-/Radweg
- Zweirichtungs-Radweg (Linker Radweg)
- Radwege ohne Benutzungspflicht
- Gehweg mit Radfahrer frei
Anforderungen zur Ausweisung benutzungspflichtiger Radwege
(zu § 2 VwV-StVO II. Rdn 14 bis 27)
- nur dort, wo es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf erfordern
(Innerorts insbesondere Vorfahrtstraßen mit starkem Kraftfahrzeugverkehr) - ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr
- Durchgehend ausreichend breit, befestigt
(bestimmt sich im Allgemeinen unter Berücksichtigung insbesondere der Verkehrssicherheit, der Verkehrsbelastung, der Verkehrsbedeutung, der Verkehrsstruktur, des Verkehrsablaufs, der Flächenverfügbarkeit und der Art und Intensität der Umfeldnutzung (VwV-StVO weist auf die ERA) - einschließlich einem Sicherheitsraum frei von Hindernissen
(Mindestbreite = befestigter Verkehrsraum mit Sicherheitsraum) - die Linienführung eindeutig, stetig und sicher gestaltet
(insbesondere an Kreuzungen, Einmündungen und verkehrsreichen Grundstückszufahrten) - Benutzung muss nach der Beschaffenheit und Zustand zumutbar sein
(Verkehrsfläche nach den allgemeinen Regeln der Baukunst und Technik in einem den Erfordernissen des Radverkehrs genügendem Zustand gebaut und unterhalten) - Vorsorge, dass der Radweg nicht durch den ruhenden Verkehr genutzt wird
Zuständigkeit für Anordnung der Benutzungspflicht und anderer Verkehrszeichen
- Verkehrsbehördliche Anordnung als Verwaltungsakt
- Straßenverkehrsbehörde (Landkreis bzw. größere Städte)
- Die Anordnung einer Benutzungspflicht ist nicht beliebig, sie muss vielmehr aus Gründen der Verkehrssicherheit oder des Verkehrsablaufes zwingend erforderlich sein (vgl. § 45 Abs. 9 StVO)
- Straßenverkehrsbehörde, Straßenbaubehörde sowie die Polizei sind gehalten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Radverkehrsanlagen auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu prüfen und den Zustand der Sonderwege zu überwachen. Erforderlichenfalls sind von der Straßenverkehrsbehörde sowie der Polizei bauliche Maßnahmen bei der Straßenbaubehörde anzuregen.
- Natürlich nehmen dabei auch politische Vorgaben, wirtschaftliche Einschränkungen, Einflüsse aus der Rechtsprechung und Druck aus Bevölkerung/Verbänden Einfluss.
Auswahl wichtiger Regelwerke für den Radverkehr:
GSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V.
Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrsplanung e.V. gibt die wesentlichen Richtlinien für Verkehrsplanung heraus, u.a. auch die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) - DAS Handbuch für Radverkehrsplanung. Doch auch in zahlreichen anderen Regelwerken finden sich planungsrelevante Vorgaben.
Richtlinien
RIN - Richtlinien für integrierte Netzgestaltung, [FGSV-Nr. 121, 2008]
zun RIN
RASt - Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, [FGSV-Nr. 200, 2006]
zur RASt
RAL - Richtlinien für die Anlage von Landstraßen, [FGSV-Nr. 201, 2012]
zur RAL
RiLSA - Richtlinien für Lichtsignalanlagen - Lichtzeichenanlagen für den Straßenverkehr, [FGSV-Nr. 321, 2010]
zur RiLSA
Empfehlungen
ERA - Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, [FGSV-Nr. 284, 2010]
zur ERA
EFA - Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen, [FGSV-Nr. 288, 2002]
zur EFA
EAR - Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs, [FGSV-Nr. 283, 2005]
zur EAR
Sonstige Merkblätter / Hinweise / Arbeitspapiere
Merkblatt zur wegweisenden Beschilderung für den Radverkehr, [FGSV-Nr. 245, 1998]
zum Merkblatt
H RaS - Hinweise zum Radverkehr außerhalb städtischer Gebiete, [FGSV-Nr. 251, 2002]
zu den H RaS
Hinweise zum Fahrradparken, [FGSV-Nr. 239, 2012]
zu den Hinweisen
HSRa - Hinweise zur Signalisierung des Radverkehrs, [FGSV-Nr. 256, 2005]
Zu den HSRa
H BVA - Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen, [FGSV-Nr. 212, 2011]
zu den H BVA
Hinweise zur Integration der Belange von Kindern in die Verkehrsplanung, [FGSV-Nr. 152, 2010]
zu den Hinweisen
Arbeitspapier Einsatz und Gestaltung von Radschnellverbindungen, [FGSV-Nr. 284/1, 2014]
zum Arbeitspapier
NLStBV - Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr
Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) hat als übergeordneter Straßenbaulastträger ergänzend eigene Leitfäden erstellt:
Leitfaden Radverkehr, (NLStBV, 2013)
zum Leitfaden
Schutzstreifen für den Radverkehr in Ortsdurchfahrten, (NLStBV, 2007)
zu den Schutzstreifen